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50 Jahre Schwei­zer Landeshymne

In der Chileziitig vom Juli/August 2011, ist eine Voranzeige für Jubi­läumskonzerte «50 Jahre Schwei­zer Landeshymne» enthält.

Der Schweizerpsalm ist nur ein Ge­sangsstück mit missratenem Text, der sich mit schwülstigen Worten fromm und feierlich gibt. Er lässt den Schweizern einen Gott in der Morgenröte, im Abendglühn, im Nebelflor und im wilden Sturm erscheinen. Wie Eos, die griechi­sche Göttin der Morgenröte, aus Kreuzworträtseln bestens be­kannt. Aus dem germanischen Kulturkreis liegen uns Götter nä­her, die wir täglich in den Wo­chentagen nennen: Ziu, Donar und Frija. Ihr Göttervater Wodan fuhr als Herr der Toten und der Stürme in der «Wilden Jagd» durch den Himmel. Daran erin­nert im Schweizerpsalm Fährst im wilden Sturm daher….»

 

Mit dem Namen «Psalm» gibt die Hymne vor, den Gott der Bibel zu lobpreisen. Sie beschwört aber die antike und germanische Göt­terwelt herauf und schränkt Gott auf Naturerscheinungen ein. Sol­che Religiosität lernte ich im Un­terricht als «Pantheismus» ken­nen. In den vierziger- und fünfziger Jahren erfuhr ich, dass Aufklärung und Reformation uns ein neues Gottesbild ermöglicht ha­ben. Aber unsere Landeshymne benutzt noch immer überholte Bilder aus Altertum und teutoni­schen Mythen. Sie fordert «freie Schweizer» zum Beten auf, ohne zu sagen, wofür. Kein einziger Wert, keine Errungenschaft unse­rer Nation wird genannt, kein Grundsatz unserer Verfassung, kein Bekenntnis zu Zusammenge­hörigkeit, Verantwortung, Schutz und Menschenrecht. Die Hymne wurde auch vor der Gründung der neuen Eidgenossenschaft schon 1842 geschrieben. Ihr Ver­fasser Leonhard Widmer wuchs nicht in modernen demokrati­schen Verhältnissen auf. Sein «Schweizerpsalm» wurde vom Komponisten der Hymne, Alberik Zwyssig, noch so zurecht ge­stutzt, dass er sich in die Melodie einfügte. Der Gottesmann muss Widmers Pantheismus für Religio­sität, seinen «Gott im hehren Va­terland» für Patriotismus gehal­ten haben. Die Melodie ist ja für ein Weihelied wohl geeignet. Durch die langjährige Verbindung mit dem unsäglichen Text ist sie aber kaum mehr mit sinnvollen Versen zu unterlegen, ohne das wir beständig an Widmers Schwulst vom «hehren Vater­land» erinnert werden und an den schwer wiegenden Miss­brauch, der mit dieser Wendung getrieben wurde, dass man sie heute kaum ohne Risiko ausspre­chen kann.

 

Bis zum 12. November, wird sich in der Kirche Bä­retswil die Gelegenheit bieten, die Worte des «Schweizer­psalms» als das zu bezeichnen, was sie sind ein frömmlerisches, pantheistisches Geschwurbel.

Richard Ehrensperger